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1912 2017
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Hauptsynagoge Mainz um 1912

Synagoge in Mainz - Licht der Diaspora

Mainz ist eine der ältesten und traditionellsten jüdischen Gemeinden in Europa. Im Mittelalter war Mainz das Zentrum jüdischer Lehre und Religion. Das ist vor allem auf den großen Rabbiner Gershom Ben Jehuda (960 bis 1040) zurückzuführen, dessen Lehren und Rechtsentscheidungen Auswirkung auf das gesamte Judentum hatte. Seine Weisheit war so groß, dass man ihm den Ehrennamen das „Licht der Diaspora“ gab. An diese Tradition knüpft das neue Gemeindezentrum in Mainz an.

Dieses Zentrum wurde am 3. September 2010 in Anwesenheit höchster staatlicher und kirchlicher Würdenträger auf dem Platz eingeweiht, auf welchem bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938 die frühere Mainzer Hauptsynagoge gestanden hatte. Diese war, von Architekt Willi Graf geschaffen,  auf den Tag genau 98 Jahre vorher, am 3. September 1912, mit einem Stadtfest eingeweiht worden. Katholischer Dom, evangelische Christuskirche und die vom goldenen David Stern gekrönte Synagogenkuppel bildeten fortan die „Toleranz-Trilogie“ der drei monotheistischen Religionen in der weltoffenen Stadt Mainz. Nach einem Jahrhundert jüdischer Emanzipation war die damalige Synagoge zugleich Zeugnis für den gewichtigen Anteil der jüdischen Gemeinde am Leben der Bürgerschaft in Mainz und darüber hinaus.

In der Fachliteratur wird Mainz sogar als Sitz der ältesten und angesehensten Judengemeinde im Deutschen Reich bezeichnet. Persönlichkeiten wie Jehuda Ben Cohen, Gershom Ben Jehuda und Moshe Ben Kalonymos wirkten in Mainz. Mit Speyer und Worms zählt Mainz zu den Schum-Städten, den wichtigsten Zentren des abendländischen Judentums. Dieser herausragenden europäischen Bedeutung trägt das neue Mainzer Synagogenzentrum, vom Kölner Architekten Manuel Herz geschaffen, Rechnung. Vor Ihr stehen die letzten erhaltenen Reste der in der Reichspogromnacht zerstörten Vorgänger-Synagoge als Brückenschlag zwischen gestern und heute.

Die gezackte Silhouette des neuen Zentrums zeigt den hebräischen Segensspruch „Kedushah“, der Heiligung oder Erhöhung bedeutet. Diese Silhouette gipfelt auf der Gegenseite in einem stilisierten Schofar, dem Widderhorn. Es bildet eine Art Lichttrichter, der, nach Jerusalem gerichtet, Licht aus dem Osten tief in den Synagogenraum hineinführt. Bereits der Eingang der Synagoge bietet eine dritte, ebenfalls ausdrucksstarke Symbolik: „Meor Ha-Gola, Beit Knesset, Magenza“. Mit dieser Widmung auf dem Eingangstor „Versammlungsraum des Lichtes der Diaspora in Mainz“ wird das Wirken von Gershom Ben Jehuda herausgestellt, verbindet die neue Synagoge in tiefsinniger Weise Herkunft und Zukunft. Dieser Zusammenhang zeigt sich auch in der spannungsreichen Verbindung moderner Architektur, die auf subtile Weise hebräische Schriftzeichen aufnimmt und dies am Ort der alten Mainzer Synagoge.

Am Ort tiefster menschlicher Degeneration, dem Ort, an dem der nationalsozialistische Mob jüdisches Leben zerstörte, entstand mit dieser ausdrucksstarken neuen Synagoge ein neues Licht der Diaspora, ein Zeichen der Hoffnung für jüdisches Leben in Mainz.

Bis 1933 gehörten der jüdischen Gemeinde Mainz 3600 Mitglieder an. Sie wurden ermordet oder vertrieben, jedwedes jüdische Leben in Mainz erlosch. Heute gehören der jüdischen Gemeinde Mainz über eintausend Mitglieder an.

Der Bau der neuen Synagoge in Mainz ist  ein Beleg dafür, dass die Inhumanität des Nationalsozialismus überwunden und durch eine neue Humanität abgelöst wurde. Synagogen in Deutschland sind Zeichen der Hoffnung für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen, Kulturen und Traditionen.

Johannes Gerster, 26. 7. 2017

Ort Mainz
Autor Future History
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