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Bahnhofstraße

Bahnhofstraße: Aalen im Weltkrieg

Willkommen in der Aalener Bahnhofstraße! Heute hat sich ja das Einkaufsvergnügen in die Fußgängerzone der Altstadt verlagert. Zu meiner Zeit aber begann hier schon die Aalener Shoppingmeile, wie man heute sagt. Am Bahnhof, hinter Ihnen um die Ecke, kamen vor allem samstags die Leute mit dem Zug nach Aalen, um das erste Kaufhaus der Region zu sehen. Das Warenhaus Eduard Heilbronn. Auf vier Etagen boten 30 Angestellte Haushaltsartikel, Spielwaren, Kleidung und Möbel an. Der Warentempel stand direkt links vor Ihnen, wo heute die VR-Bank Ihren Hauptsitz hat. Gegründet hatte es der westfälische Unternehmer Eduard Heilbronn 1903 – da war ich gerade ein Jahr Rathauschef in Aalen. Ach, wenn ich an mein erstes Jahrzehnt in Aalen zurückdenke, komme ich richtig ins Schwärmen: Die Wirtschaft brummte. Ob Schuhcreme, Geldschränke oder feinste Schokolade: Alles wurde in Aalen hergestellt und in der weiten Welt verkauft. Die Industrie lockte viele neue Bürger in die Stadt und wir bauten in den Hanglagen tolle Arbeiterhäuschen mit Gärten. Gaslicht, Elektrizität und Wasser aus dem Hahn: Aalen verwandelte ich in eine moderne Stadt. Die Bürger tummelten sich in Musik- und Turnvereinen. Die großen Faschingsumzüge über diese Straße lockten Narren aus der ganzen Region an. Doch dann kam das Jahr 1914 und der furchtbare Krieg. Viele hundert Söhne unserer Stadt kamen nie mehr zurück aus den Schützengräben im Westen. Die Frauen schufteten in der Industrie und tauschten ihre Eheringe gegen Butter und Brot, um die Familie am Leben zu halten. So richtig freuen konnte sich dennoch niemand über das Kriegsende 1918. Unsere Soldaten kamen geschlagen und oft gezeichnet in die Heimat zurück. Viele hatten es schwer, sich mit der neuen Demokratie aus Weimar anzufreunden. Auch ich, das muss ich zugeben. Schließlich hat doch unser guter Bürgerkönig Wilhelm aus Stuttgart mich 1911 zum ersten Oberbürgermeister Aalens ernannt. Was für eine Ehre – normalerweise war man damals in einer kleinen Stadt wie Aalen „nur“ Stadtschultheiß. Ich blieb zwar auch Oberbürgermeister in dem Aalen der Weimarer Republik, die Stadt war aber eine andere. Wie soll man denn eine Stadt weiterentwickeln bei Inflation und Massenarbeitslosigkeit? Am schlimmsten waren aber die Radikalen im Stadtrat. Die Kommunisten machten ständig Ärger. Schlimmer waren nur die Antisemiten von der NSDAP. Ihr sogenannter „Vordenker“ aus Aalen, Karl Mutschler, agitierte vor allem gegen den Warenhausgründer Eduard Heilbronn – ein Mitbürger jüdischen Glaubens. Mutschler schrieb: „Dass der Warenhausjude Eduard Heilbronn und sein schmieriger Schwiegersohn Wartzki jemals in den Mauern unserer Stadt Aufnahme gefunden haben, bleibt eine ewige Schande.“ 1931 wurde der Hass der Familie Heilbronn zu viel. Sie zogen nach Wiesbaden. Doch auch dort waren sie bald nicht mehr sicher. Eduard Heilbronn starb 1942 an einem Herzinfarkt kurz vor der Deportation nach Treblinka. Dort wurde seine Frau Frieda ermordet. Ihren geistig behinderten Sohn Willi hatten die Nazis bereits 1940 in Grafeneck vergast. Ihr Lebenswerk, das Warenhaus in Aalen, wurde 1938/39 an „arische“ Mitbürger verscherbelt. Barbarische Jahre, in denen auch kein Platz mehr für mich war! Wie ich aus Aalen verjagt wurde, erfahren Sie bei der nächsten Station.

Ort Aalen
Autor Tourist-Info Aalen
Kategorien
Stadtbild
Tourismus
Erinnern
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Stadtarchiv Aalen
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Tourist-Info Aalen
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