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Familie Kahn 2012

Paula und Sigmund Kahn, Adolf-Hitler-Straße 81

Die Familie Kahn - im Haus wohnten das Ehepaar Paula und Sigmund sowie deren Nichte Ilse - war wohlhabend, als eine der wenigen Familien in Finthen besaßen die Kahns ein Auto. Doch ihr Wohlstand konnte sie vor dem faschistischen Mob nicht bewahren, im Gegenteil: Frau Kahn, eine elegante Dame, war vormittags zu Hause, als die nationalsozialistische Gruppe in das Anwesen Kahn eindrang und alles Wohnungsinventar zerstörte und verbrannte. Zur selben Zeit kam ein weiterer Schläger hinzu und drang in die Wellblechgarage des Anwesens ein, die er der Familie damals selbst verkauft hatte! Er schob unter grölender Zustimmung und Mithilfe der Umstehenden das Auto zum Müllplatz auf der Steige, wo er es anzündete und verbrannte.

Zitat aus Benno Königs Zeitzeugenbericht: „Frau Kahn war unterdessen aus ihrem Haus geflüchtet und wankte durch ein Spalier von mittlerweile in großer Zahl die Straße flankierenden Nazisympathisanten in Richtung Straßenbahnhaltestelle. Sie wurde von der fanatisierten Menge in übelster Weise beschimpft, wobei 'Judenschlampe' und 'Judenhure' noch die mildesten Ausdrücke waren. Mit höchster Anerkennung und Bewunderung erinnere ich mich daran, dass die Bäckerfrau Maria Pfaff, geb. Schmitt, Frau Kahn durch Zuruf anbot, in die Bäckerei zu flüchten, um sie zu schützen. Frau Kahn bedankte sich und rief zurück: 'Liebe Frau Pfaff, wenn ich jetzt zu Ihnen komme, sieht Ihr Haus in einer halben Stunde genauso aus wie das meine.' Womit sie zweifellos recht hatte."

Frau Pfaff war die einzige, von der aus es eine humanitäre Geste und Hilfsangebote an die bedrängten jüdischen Mitbürger in Finthen gab. Der Rest der Zuschauenden stimmte den Nationalsozialisten entweder gröhlend zu oder traute sich nicht zu intervenieren: "Die übrige Finther Bevölkerung tolerierte in absolut passiver Starre, wahrscheinlich aus Angst, schweigend das Geschehen. Keiner wagte sich auch nur flüsternd zu Nebenstehenden zu äußern. Es rührte sich keine Hand zur Hilfe, nirgendwo eine Geste des Mitgefühls oder des Mitleids.“

Für Familie Kahn gibt es keine Stolpersteine, das Haus steht  nicht mehr (es stünde genau an der Stelle der heutigen Einfahrt zwischen Poststraße 79 und 83), die Familie selbst floh nach Brasilien. Der Enkel von Paula und Sigmund - Robert Kahn, er war oft bei seinen Großeltern zu Besuch,- lebt heute in New York. Von ihm stammt der abgebildete Brief an Herrn König, darin erzählt er seine Erinnerungen an die Familie.

Ort Mainz
Autor hiztory
Kategorien
Erinnern
Schule/Bildung
Suchbegriffe / Tags
Finthen
Juden
Kahn
Adolf-Hitler-Straße
Brief
Dokument
Familie
Lizenz Alle Rechte vorbehalten
Bildquelle
Benno König
Urheber
Robert Kahn
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