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Genio dello Sport 2018

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Warum wurde das Stadtbild Roms so maßgeblich verändert? Was wurde damit bezweckt? ​
6 Hauptmerkmale von Mussolinis Architekturpolitik

Der folgende Abschnitt geht abschließen nochmals auf einige grundlegende Faktoren der faschistischen Baupolitik ein. Das eigentliche Bild, der genio dello sport, wird hierbei unter Punkt „5.Als Instrument nonverbaler Kommunikation“ behandelt. Zwar bauen die Abschnitte inhaltlich aufeinander auf, jedoch kann auch zuerst zu Punkt 5 gegangen und die hier abgebildete Skulptur behandelt werden.

 

      1.         Der Bauboom

Nie zuvor wurde in so kurzer Zeit so viel gebaut. Alleine das Straßennetz wurde um 12.000 km innerhalb Italiens (1928-1949) ausgebaut. Das entspricht einer 10maligen Luftstrecke zwischen Rom und Berlin. In den neuen Kolonien Libyen und Äthiopien wurden 7.000km Straßen gebaut. Im Vergleich zu den Industrienationen Europas, hatte Italien als Agrarstaat zuvor kaum Infrastruktur. Dies änderte sich durch die Eröffnung der autostrada, dem ersten Teilstück einer Autobahn in Europa. Sternförmig wurde diese innerhalb weniger Jahre, von Mailand ausgehend, erweitert. Einige Autobahnteilstücke wurden feierlich von König Viktor Emanuel III und dem Duce eröffnet. Die autostrada wurde als italienische Erfindung gefeiert und als Symbol von Fortschritt und Modernität hervorgehoben.

Diese Erschließung machte einige Ausflugsziele für gut betuchte Bürger aus Mailand, Turin und Rom möglich.

Neben vielen Straßen wurden auch Bahnhöfe, Postämter, Hafenanlagen und monumentale Brücken gebaut. So auch ein Teil des Roma Termini, der bis heute noch Stilelemente des faschistischen Razionalismo aufweist. Hier findet ihr einen Link zum Banhof Roma Termini:

https://www.future-history.eu/de/ansicht/hauptbahnhof-termini-roma-2013-romexkursion2018

 

  2.         Die Zerstörung und der Neuentwurf

Was aus ideologischen Gründen als wertlos betrachtet wurde und architektonisch störte, wurde rücksichtslos dem Erdboden gleich gemacht. Was aus faschistischer Sicht als denkwürdig galt, hob man jedoch hervor. Man verfolgte das Ziel, imposante Bauten und Plätze, die als Kulisse für Aufmärsche und Versammlungen dienten, zu bauen.

Auch in Turin, Triest und Mailand wurde das Stadtbild durch eine faschistische Handschrift bearbeitet. In Rom ist gerade die Via dell'impero ein Paradebeispiel für eine prachtvolle Kulisse für Aufmärsche und Militärparaden. Mussolini ließ sie nach seinen Wünschen durch das monumentale Zentrum Rom bauen. Hier findet ihr einen Link zur Via dell'impero:

https://www.future-history.eu/de/ansicht/dell-impero-roma-1940-romexkursion2018

 

    3.         Die öffentlichen Bautätigkeiten

Das Ministerium für öffentliche Arbeit (lavori pubblici) und das neugeschaffene Ministerium für Kommunikation (ministero della comunicazioni) unter Constanzo Ciano, verantworteten sämtliche Bauten im öffentlichen Bereich. Ciano galt damals als möglicher Nachfolger Mussolinis nach dessen Tod. Unter seiner Aufsicht wurde die Modernisierung der staatlichen Eisenbahn vorangetrieben und zu dem Massenverkehrsmittel weiterentwickelt. Die wichtigsten Verbindungen zwischen Rom und Neapel, sowie Bologna und Florenz entstanden 1927 bzw. 1923. Besonders Postämter und Bahnhöfe galten als wichtig, da sie als direkte Verbindung zum Volk dienten. Es entstanden imposante Hallen, wie der Bahnhof von Trient, erbaut von Aglio Mazzio. Dieser gilt als einer der bedeutendsten Architekten in Italien seiner Zeit.

Auch Sportarenen, Stadien und Schwimmbäder sprossen in zuvor nicht gekannter Größe aus dem Boden. Der Sport wurde als Zweck der Propaganda und als Mittel der sozialen Kontrolle genutzt. Mit Erfolg: bei den olympischen Spielen1932 in Los Angeles erreichte Italien den zweiten Platz hinter den USA im Medaillenspiegel. Dieser und weitere Erfolge wurde als Überlegenheit der italienischen faschistischen Nation proklamiert.

Das Foro Mussolini, heutige Foro Italico, bot unteranderem 100.000 Menschen im Stadio dei Cipressi Platz. Mit zahlreichen Marmorbasilisken und Sportlerfiguren gilt es bis heute als Sinnbild für die Erziehung des Menschen durch sportliche Ertüchtigung im Faschismus. 

Hier findest du den Link zum Foro Mussolini: https://www.future-history.eu/de/ansicht/foro-mussolini-roma-1930-romexkursion2018

 

    4.         Die Bauernschaft und die "Agrikulturzivilisation"[1]

Mussolini sah die Bauernschaft als Säule der Gesellschaft. Er stand der Urbanisierung und dem demographischen Wandel der Städte daher sehr negativ gegenüber. Seine Agrarstaatsutopie basierte auf dem Bevölkerungswachstum, der Neugewinnung durch Meliorationen, durch Binnenkolonisation und durch die Gründung von agrarischen Mustersiedlungen.

Eine dieser Siedlungen wurde auf der trockengelegten Sumpflandschaft agro pontino, südlich Roms, errichtet. Diese am Reißbrett entworfene Planstadt, wurde für arme Bauernfamilien hochgezogen. Sie wurde nicht als citta sondern gezielt als centi communali agricoli, agrarisches Gemeindezentrum, bezeichnet. Diese und weitere Planstädten dienten zur Versorgung des Umlandes. Die Mitte eines agrarischen Gemeindezentrums bildete stehts der piazza mit Rathaus und katholischer Kirche.

Die Ansiedelungen von Industriegebieten war aus ideologischen Gründen unerwünscht. Im Vergleich zu Stalins sowjetischer Planstädten, die um Großbetriebe entstanden.

Als Beispiel einer Planstadt gilt auch die EUR. Jedoch wurde sie nicht als centi communali agricoli konzepiert.

Hier findet ihr eine Luftaufnahme der EUR: https://www.future-history.eu/de/ansicht/luftbild-der-eur-roma-2007-romexkursion2018

[1] Wolfgang Schivelbusch: Entfernte Verwandtschaft, Faschismus, Nationalsozialismus und New Deal 1933-1939, München 2005, S. 134.

 

5.         Als Instrument nonverbaler Kommunikation

Die Architektur diente zur Selbstdarstellung des Regimes. Besonders Monumentalkomplexe wie das foro mussolini dienten zur Inszenierung der Auferstehung alter Pracht und ließ gleichzeitig das Individuum im Schatten dieser stehen.

Die Heldenverehrung, die Ende des ersten Weltkrieges an enormer Bedeutung gewann, führte dazu, dass viele Gedenkstätten, Denkmäler, Heldenfriedhöfe und Kriegsdenkmäler entstanden. Auch bloße Soldatenfriedhöfe entwickelten sich schnell zu faschistischen Kultstätten. So wurde auch diese Statue als "genio dell fascismo" beim Bau der EUR errichtet. Die dargestellte Person hebt den Arm zum "römischen Gruß" als Zeichen der Zugehörigkeit. Es soll den siegreichen, wohlgeformten Idealtypus darstellen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Statue umbenannt in "genio dello sport". Die Haltung und Ausdruck der Figur wurde jedoch nicht verändert. So wird weiter ein "römischer Gruß" gezeigt.

Ein Beispiel für die faschistischen Prunkbauten  ist auch das Siegesdenkmal  von Marcello Piacentini in Bozen.
Dieser Link bringt euch direkt an das Siegesdenkmal in Bozen:

https://www.future-history.eu/de/ansicht/siegesdenkmal-bozen-bozen-2016-romexkursion2018

 

      6.         Für bevölkerungs- gesellschafts- und machtpolitische Ziele

Man versuchte die Konzentration von vielen Menschen an einem Ort zu verhindern. Zusätzlich wollte man ärmeren Familien neues Siedlungsland geben. So wurde zum Beispiel der Straßenbau in Libyen und Italienisch-Ostafrika für die Siedlungskolonisation vorangetrieben. Aber auch direkt in Rom wurde, durch den Abriss einfacher Quartiere, tausende Arme in borgate zwangsumgesiedelt. Dort herrschten schrecklichen Lebensbedingungen.

In Bozen wurde die gegenwärtige deutsche Mehrheit systematisch durch italienische ersetzt. Zum einen wurde die Zahl der Italiener, unter anderem durch Zwangsumsiedelungen, erhöht. Zum anderen, wurde der Versuch erbracht, durch Schulen mehrere Generationen gezielt faschistisch italienisch zu prägen.

 

Vertiefende Literatur: Matolli, Aram: „Edificare per il fascismo“. Macht und Architektur in Mussolinis Italien, in GR/SR 17/1 (2008), S. 17-49

 

Ort Roma
Autor Romexkursion2018
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