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1850 2018
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Kapitolsplatz um 1850

Blick auf den Kapitolsplatz 19. Jahrhundert

Für die Geschichte zu diesem Bild ist es wichtig ein kleines Detail wahrzunehmen. Heute ist aus der dargestellten Perspektive hinter der Laterne zwischen den beiden Treppen eine kleine schwarze Statue zu erkennen. Auf der Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert noch nicht. Viele Details der Platzgestaltung entstammen dem 16. Jahrhundert. Die Statue kam jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts hinzu. Warum so spät? Die Errichtung fällt in die Zeit der nationalen Einigung Italiens und wem die dargestellte Person bekannt ist, wird verstehen warum. Es handelt sich um Cola di Rienzo. Ein Mann, der im Rom des 14. Jahrhunderts lebte. 

Zu dieser Zeit war der französische König sehr mächtig und beeinflusste zunehmend das Papsttum, bis 1309 der französischbürtige Papst Clemens V. die Stadt schließlich ganz verließ und mit dem gesamten päpstlichen Hof nach Avignon zog. Erst 1377 kehrte Papst Gregor XI und mit ihm die Kurie nach Rom zurück. Während der Abwesenheit des Papsttums entstand die Treppe zur Kirche Santa Maria in Aracoeli, ein Gottesbezug für die vom Papst verlassene Bevölkerung auf dem Kapitol.

Mit dem päpstlichen Hof verließen viele Bankiers und Kaufleute die Stadt, was die ohnehin schwierigen und unruhigen Zustände verschlimmerte. Die Macht in Rom hatten immer noch die adligen Barone, deren Familien jedoch untereinander verstritten waren und die Stadt in Machtbezirke aufgeteilt hatten. Einfluss nahmen sie, indem sie wichtige Ämter in der Kommune einnahmen und die Getreideversorgung der Stadt regulierten, die sie aufgrund ihres Landbesitzes kontrollieren konnten. Die Bevölkerung war demzufolge stark vom Wohlwollen des Adels abhängig.

Cola di Rienzo fand unter diesen Umständen schnell Anhänger, denn er wollte als selbsternannter Volkstribun* die Stadt vom herrschenden Adel befreien. Er selbst stammte aus der 'Unterschicht' und hatte sich zum Notar hochgearbeitet. Von der Antike begeistert suchte er die Stadt systematisch nach antiken Überresten ab. In der Lateranbasilika stieß er schließlich auf eine Bronzetafel, die einen Teil der lex de imperio Vespasiani enthielt. Ein Dokument, auf dem 69 n. Chr. die Herrschaftsrechte des römischen Kaisers Vespasian festgeschrieben wurden. Römische Juristen hatten noch in der Antike auf Grundlage der lex de imperio Vespasiani eine eigene Interpretation entwickelt, die die gesetzliche Einbeziehung des römischen Volkes in die Herrschaftsrechte darstellt. 

(Mehr dazu in der Tour "Konstantin und der Lateran")

Papst Bonifaz VIII. hatte die Tafel Ende des 13. Jahrhunderts hinter dem Altar der Laterankirche einmauern lassen, vielleicht weil er ahnte, wie sie auf das Volk wirken könnte. Bei Renovierungsarbeiten kam sie jedoch kurz darauf wieder zum Vorschein. Cola di Rienzo interpretierte 1347 die Botschaft neu für seine eigenen Ziele. Er behauptete, dass sich in ihr die Machtvollkommenheit und Rechte des römischen Volkes geschrieben fanden und verbreitete dies in volkssprachlicher Übersetzung (Die Tafel war in Latein verfasst, was die Bevölkerung des Mittelalters zum Großteil nicht verstand). Er rief das Volk dazu auf, unter seiner Führung die eigene Machtvollkommenheit in Form von libertas (Freiheit), pax (Friede) und iustitia (Gerechtigkeit) wieder anzustreben. Zu diesem Zweck nutzte er den Lateran, in dem er die Tafel gefunden hatte und der als eindrucksvoller Ort seine revolutionären Auftritte unterstützte. Ein anderer Ort, an dem er das Volk mobilisierte, war das Kapitol.

Seine Ideen stiegen ihm zu Kopf und sein Wahn spiegelte sich schon bald in seinen Taten wider. Zu Beginn der Bewegung im Jahr 1347 hatte er die breite Mittelschicht der römischen Bevölkerung schnell hinter sich gebracht, doch auch diese Anhänger begannen im Verlauf des Sommers an ihm zu zweifeln.

Am 01. August 1347 wählte er erneut den Lateran für einen Auftritt von großer symbolischer Bedeutung. In seinem Höhenflug vollzog er dort die traditionelle Ritterweihe inklusive Selbstreinigung im Taufbecken. Diese machte sein (neues) Ziel deutlich: Cola di Rienzo wollte Kaiser werden. 

Nicht nur seinen Anhängern wurde dieses Treiben nun zu bunt. Auch die Baronalfamilien hatten langsam genug davon. Wie wenig die Bewegung gebracht hatte und wie deutlich die Machtverhältnisse in Rom immer noch waren, zeigte sich nun. Die Barone schnitten die Getreideversorgung ab und provozierten auf diese Art offene Kämpfe, die erst im November 1347 mit der Flucht Cola die Rienzos aus der Öffentlichkeit ihr Ende fanden. Sieben Jahre später versuchte er noch einmal die Macht in Rom zu ergreifen, scheiterte jedoch schnell. Dieser erneute Versuch endete mit der Ermordung Cola di Rienzos am Fuß des Kapitols.

Trotz der Niederlage hatte er eine wichtige Botschaft in das Volk getragen: Der Gedanke der Souveränität des römischen Volkes, basierend auf seiner Wiederentdeckung und Interpretation der lex regia. Diese Erinnerung an ihn hat sich in das kulturelle Gedächtnis Roms eingeprägt. Damit wird klar, warum in einer Zeit nationalstaatlicher Bewegungen seine Person so stark rezepiert wird. Er ist bedeutend für das Identitätsempfinden des römischen Volkes. Nicht nur die Statue, die hier am Fuß des Kapitols errichtet wurde, zeigt diese Bedeutung, auch in der geschichtswissenschaftlichen Forschung oder z.B. in der Oper "Rienzi" von Richard Wagner spiegelt sich eine verstärkte Beschäftigung mit Cola di Rienzo im 19. und 20. Jahrhundert wider.

*In der antiken römischen Republik war der Volkstribun ein Vertreter des Volkes in der Regierung. Volkstribune hatten das Recht im Namen der Römer beinahe jede politische Handlung in Rom zu verhindern. Ihre Türen standen dem Volk traditionsgemäß wortwörtlich zu jeder Zeit offen, um dieses zu unterstützen. 

 

Warum könnte Cola di Rienzo nicht nur den Lateran, sondern auch das Kapitol als Ort genutzt haben, um zum Volk zu sprechen? 

Welche Gründe könnten dazu geführt haben, die Statue Cola di Rienzos an exakt dieser Stelle aufzustellen?

 

weiterführende Literatur:

- Reinhardt, Volker: Geschichte Roms. Von der Antike bis zur Gegenwart. C.H. Beck (München 2008).

- Reinhardt, Volker: Rom. Ein illustrierter Führer durch die Geschichte. C.H. Beck (München 1999).

- Musto, Ronald: Apocalypse in Rome. Cola di Rienzo and the Politics of the New Age. University of California Press (Berkeley and Los Angeles 2003).

- Seibt, Gustav, Anonimo romano. Geschichtsschreibung in Rom an der Schwelle zur Renaissance. Klett-Cotta (Stuttgart 1992).

- Struve, Tilman: Cola di Rienzo. Ein Traum von der Erneuerung Roms und die antike lex regia. Duncker und Humblodt (Berlin 2004).

Ort Roma
Autor Romexkursion2018
Kategorien
Stadtbild
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Platz/Park
Suchbegriffe / Tags
Kapitolsplatz
Rom
Cola di Rienzo
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Santa Maria in Aracoeli
Kapitol
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Bildquelle
Wikimedia Commons
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Warburg
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Romexkursion2018
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