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Haus "Zum Vorderen Tanz" 2016

Frauenhausprostitution im mittelalterlichen Konstanz

Im Gegensatz zu anderen Städten verhielt sich Konstanz im Mittelalter gegenüber der Prostitution erstaunlich tolerant. Die Straßenprostitution wurde zwar geächtet, im Gegenzug jedoch eine städtisch organisierte Prostitution etabliert. So war der Ziegelgraben, der sich einst hier, an der heutigen unteren Laube befand, weit über Konstanz hinaus bekannt für seine freie Zugänglichkeit zu Dirnen und deren Dienstleistungen. Der Schriftsteller Haselberg schreibt hierzu später:

„Zuo Costanz imm ziegelgraben
kumet auch vil schweitzer Knaben.“

Diese von der Stadt nicht nur gebilligte, sondern sogar von ihr organisierte Prostitution war dergestalt, dass sogenannte Frauenhäuser für die Prostitution eingerichtet wurden. In diesen Häusern sollten Dirnen vor Übergriffen geschützt und gleichzeitig von der Bevölkerung isoliert werden. Bei den Prostituierten handelte es sich meist um „fahrende Frauen“, die von Stadt zu Stadt zogen und durch die Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienten. Nicht immer waren ihre Ortswechsel freiwillig, sondern teils auch dem damals legalen  Handel mit diesen Frauen geschuldet. Eine Hochzeit der fahrenden Frauen erlebte Konstanz während des Konzils von 1414 bis 1418. Laut dem Chronist Ulrich von Richental zählte man in jenen Tagen mehr als 700 Dirnen in in der Stadt. Andere Quellen gehen gar von mehr als 1500 aus. Der Konstanzer Rat war davon bis zur Reformation unbeeindruckt und sah sich nur selten zum Eingreifen genötigt.

Vielmehr darf gemutmaßt werden, dass die Popularität der Prostitution in Konstanz gerade auf das tolerante Verhalten des Rats zurückgeführt werden kann. So kümmerte es diesen recht wenig, dass Ehemänner oder Kleriker das Frauenhaus besuchten. Dennoch ist aus dem Jahr 1464 ein Fall vor Gericht überliefert, in dem drei Ehemänner, die das Frauenhaus besucht hatten, verurteilt wurden. Vorgeworfen wurde Ihnen hierbei der gewählte Tag ihres Besuchs in besagtem Etablissement. Denn es war untersagt, an den heiligen Festen und auch den Sonntagen dieser Lust nachzugehen. Das Verbot des Beischlafs an diesen besonderen Tagen galt generell, also auch innerhalb der Ehe. Immer wieder wurden Stimmen laut, die die damalige Institutionalisierung der Prostitution auf eine angebliche Sittenlosigkeit zurückführten. Doch tatsächlich scheint eher das Gegenteil der Fall gewesen zu sein: Konstanz und viele andere Städte versuchten mit Hilfe der Frauenhäuser die als gesellschaftliches Übel angesehene Unkeuschheit zu kontrollieren. Schon ein Zitat von Augustinus bringt diese pragmatische Maßnahme mit folgenden Worten auf den Punkt:

„Entferne die Huren aus den menschlichen Dingen und du wirst alles durch Wollust verwirren“.

Ort Konstanz
Autor fechti
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Stadtbild
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