Rheintorstraße 41 um 1938

Ich bin Hans David Blum und kenne dieses Haus seit meiner Kindheit, als es noch die Bäckerei von Berthold Levy war. 

Jeder nannte ihn Bäckemännle. Meine Mutter schickte mich, bei ihm Matzenbrot zu kaufen vor Pessach. Die älteren Kinder von Berthold und seiner Frau Julie, Rina, Rosa und Bruno lebten schon nicht mehr bei den Eltern, Erich war vier und Betty war zwei Jahre älter als ich, Gretel war die kleinste. 

Bäckemännle hatte einen Bruder Salomon. Wir nannten ihn Mehlmännle. Jeder hier wurde mit dem “Übernamen”, dem Spitznamen, gerufen. Beide Levybrüder waren Getreide- und Mehlhändler. Salomon hatte es in die Stadtmitte geschafft, in die Altgasse, heute Richard-Müller-Straße. Dort zu wohnen, bedeutete für eine jüdische Familie den Aufstieg. 

Als ich aufwuchs, redeten die Erwachsenen immer wieder vom Jahr 1862. Damals wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden gefeiert, und die hatte gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen für alle. In der Stadtmitte, da war das moderne Leben.

Berthold Levy kehrte alleine nach dem Ende des Krieges und den Jahren der Gefangenschaft wieder in seine Heimatstadt zurück. Er starb 1957.