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1940 2022
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Brüder-Grimm-Schule um 1940

Ehem. Heinrich-Eckmann-Schule in der Schmiedestraße 38

Aus "Chronik Rellingen" von Manfred O. Niendorf von 1992 (S. 124 ff.):

"Brüder-Grimm-Schule (ehemals Heinrich-Eckmann-Schule)

Die alten Schulgebäude an Rellingens Hauptstraße 38 erwiesen sich in den 1930er Jahren als baufällig, zudem konnten sie mit der steigenden Schülerzahl nicht mehr mithalten. Hinzu kam die Schulsituation an einer auch schon damals stark durch den Autoverkehr frequentierten Straße (die Reichsstraße 5), so daß die Schulkinder auch zu jener Zeit bereits enormen Verkehrsgefährdungen ausgesetzt waren. So entschloß sich die Gemeinde Rellingen im Jahre 1938, an der Schmidestraße eine neue Schule bauen zu lassen. Die Bauarbeiten begannen noch 1938, und das Richtfest konnte am 1. April 1939 gefeiert werden. Ohne größere Einweihungsfeierlichkeiten startete die neue Schule ihren Betrieb am 16. Mai 1940. Neben den sechs eigentlichen Unterrichtsräumen enthielt das neue Schulgebäude weitere damals optimale Voraussetzungen für das Lernen und Unterrichten: ein Rektorzimmer, ein Lehrerzimmer, ein Lehrmittelzimmer, einen mit vielerlei Unterrichtsmitteln ausgestatteten Werkraum, einen Zeichen- und Festsaal und eine geräumige Lehrküche sowie im Kellergeschoß untergebrachte Duschräume. Die reinen Baukosten beliefen sich auf etwa 95 000 Reichsmark. Doch es war Krieg, und die Rellinger Schulkinder konnten das neue Schulgebäude nur für eine kurze Zeit nutzen. Mit der sechszeiligen Verfügung des Pinneberger Landrats vom 22. Januar 1942 wurde aufgrund des Paragraphen 10 des "Reichsleistungsgesetz" vom 1. September 1939 das Rellinger Schulgebäude beschlagnahmt. NAch erfolgter Räumung richtete der Kreis Pinneberg darin ein Hilfskrankenhaus ein. Das Kreiskrankenhaus in Pinneberg war Reserve-Lazarett geworden und unterstand der Wehrmachtsverwaltung. Diese nicht schulische Nutzung des Schulgebäudes dauerte bis zum Jahre 1950. Erst mit Wirkung vom 31. März 1950 wurde die Schule von der Kreisverwaltung wieder freigegeben. Mit der Einweihungsfeier zur "Heinrich-Eckmann-Schule" am 19. Juni 1950 durch Bürgermeister Wiechel und Bürgervorsteher Brinckmann konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. Am 13. Oktober 1937 hatte der Hauptlehrer Willi Thies, gebürtiger Tangstedter, die Leitung der Rellinger Schule als Nachfolger des Hauptlehrers Breuß übernommen. Breuß war bereits seit 1896 als Lehrer in Rellingen tätig, von 1932 bis zu seiner Pensionierung als Schulleiter. Rektor Thies wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges als Oberleutnant der Reserve zur Wehrmacht einberufen und kehrte erst 1950 aus jugoslawischer Kriegsgefangenschaft nach Rellingen zurück. Von 1951 bis zu seiner Pensionierung übernahm er wieder die Schulleitung. In seiner Abwesenheit während des Zweiten Weltkrieges hatte Lehrer Thode die Rellinger Schule geleitet und von 1945 bis 1951 Konrektor Thumann. Dieser amtierte dann von 1959 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1965 als Rektor. [...]

Am 30. Januar 1939 hörten die Rellinger Schulkinder die Radioübertragung einer Rede des Reichspropagandaministers Dr. Goebbels. Mit Beginn des Überfalls durch das Deutsche Reich auf Polen (1. September 1939) wurde der Schulunterricht bis auf weiteres ausgesetzt, erst am 9. September ging es weiter. Im Januar 1940 fiel der Unterricht wegen Kohlemangel aus, die Kinder kamen täglich vorbei, um ihre Hausaufgaben überprüfen zu lassen und um sich neue Aufgaben zu holen. Im Juni 1942 begann an der Schule die Seidenraupenzucht, nachdem zu Ostern 1940 an die 1000 Stück Maulbeeren geplanzt worden waren. Im Juli 1942 veranstaltete die Schule eine Seidenbauausstellung, und im August konnten 8,07 Kilogramm an Kokon abgeliefert werden. Etliche Kinder wurden nun für mehrere Wochen in Kinderlager geschickt (Kinderlandverschickung). Nach den schweren Luftangriffen auf Hamburg im Juli 1943 nahm Rellingen etwa 900 Ausgebombte und Flüchtlinge auf, an der Schule wurden 31 Hamburger Kinder aufgenommen. 1943 und 1944 nahm die feindliche Fliegertätigkeit immer mehr zu, so daß oft nicht mehr an einen geregelten Unterricht zu denken war. Im Oktober 1943 entstand ein betonierter Splittergraben für die Schulkinder und die Nachbarn der Schule. Die Zahl der Hamburger Kinder, die die Rellinger Schule besuchten, wurde immer größer. Im Februar und März 1945 erhöhte sich die Zahl der Flüchtlinge aus dem Osten gewaltig, wodurch auch die Schülerzahl bedeutend wuchs (375 Schülerinnen und Schüler). Im April 1945 belegte der "Reichsarbeitsdienst" das Schulgebäude, er war noch als "Sperrverband" vorgesehen. Anfang Mai rückte der Arbeitsdienst dann infolge der Kapitulation der Hansestadt Hamburg nach Norden ab. Die Rellinger Schule wurde beschlagnahmt, sie diente als Unterkunft für englische Truppen und ehemalige ausländische Zwangsarbeiter. Jeglicher Unterricht fiel natürlich vorläufig aus. Im August 1945 wurde der Lehrer Max Thumann mit der vorläufigen Schulleitung betraut, aber an Unterricht war noch nicht zu denken. Zunächst mußte das Schulgebäude einigermaßen wieder hergerichtet werden. Alle Lehr- und Lernmittel, sofern sie nationalsozialistisches Gedankengut beinhalteten, durften nicht verwendet werden, und so fehlte es an Schulbüchern. Im September 1945 wurden 467 Schülerinnen und Schüler gezählt (260 Einheimische und 187 Flüchtlinge). Für 385 Grundschüler begann der Unterricht in acht Klassen. Vier Lehrerinnen und Lehrer standen zur Verfügung. Die ersten drei Jahrgänge hatten etwa 100 Kinder aufzuweisen. Es herrschte eine unvorstellbare Raumnot. Es gab Schichtunterricht, auch der Konfirmandensaal wurde von der Schule belegt. Der Unterricht für alle Kinder begann dann am 17. Dezember 1945. In zehn Klassen waren 490 Kinder zu unterrichten (287 Einheimische und 203 Flüchtlinge). Die Schülerzahl stieg weiter. Zu Ostern 1946 waren es 580 Kinder, davon 154 Schulanfänger. Das sind fast so viele wie heute alle Schüler an den Rellinger Grundschulen. Mit 659 Kindern erreichte die Schülerzahl im Jahre 1949 ihren Höhepunkt. Die stärkste Klasse wies 66 Schülerinnen und Schüler auf. Wegen dieser großem Kinderzahl mußte auch nach der schon erwähnten Freigabe der neuen Heinrich-Eckmann-Schule an der Schmiedestraße im Jahr 1950 die alte Schule an der Rellinger Hauptstraße weiter mitbenutzt werden. [...] Im Jahr 1962 wurde beschlossen, das Schulgebäude an der Schmiedestraße durch einen Anabu zu erweitern. Das bestehende Hauptgebäude sollte für Verwaltung und Fachräume genutzt werden. 1965 wurde der Erweiterungsbau unter der Leitung des neuen Rektors Brödau, der die Leitung der Schule als Nachfolger von Rektor Thumann übernommen hatte, eingeweiht. Nun konnte der Schulbetrieb in der alten Schule an der Hauptstraße endlich aufgegeben werden. Doch bald reichten auch die nun vorhandenen Schulräumlichkeiten nicht mehr aus. In 17 Klassen waren 512 Kinder zu unterrichten. Immer noch bestanden Klassen mit über 40 Kindern. Daher wurde 1969 ein weiterer Schulanbau errichtet. Am 20. August 1969 überreichte ein Maler und Grafiker dem Rellinger Schulleiter ein Bildnis (Rötel-Kreidezeichnung) des Dichters Heinrich Eckmann, nach dem die Schule benannt war. Dieses Bildnis wurde in der Pausenhalle aufgehängt. Mit der Entlassungsfeier von sieben Jungen und 14 Mädchen der neunten Hauptschulklasse am 7. Juni 1975 wurde die Heinrich-Eckmann-Schule zur reinen Grundschule. Für das Amt des Schulleiters wurde am 10. Januar 1978 Jürgen Schubert gewählt, der aber Rellingen im April 1981 schon wieder verließ. Im August 1981 führte Schulrat Rohwedder die heutige Schulleiterin Gisela Redlich in ihr Amt ein. Im September 1983 zog die Gemeindeverwaltung Rellingen nach zweijährigem Gastverhältnis wieder aus dem Schulgebäude aus - das neue Rathaus war fertig geworden. Ein Band der Rellinger Schulchronik schließt im Jahre 1986 mit den Worten der Schulleiterin, daß sich in den vergangenen Jahren vieles geändert habe, "aber der Einsatz der Kollegen, Kinder zu erziehen, damit sie eines Tages fähige Mitglieder der Gesellschaft sind, ist geblieben." Im Jahre 1989 sind verschiedene Texte des Dichters Heinrich Eckmann einer breiteren Rellinger Öffentlichkeit bekannt geworden. Mehrere Werke Eckmanns geben inhaltlich und sprachlich unmißverständlich nationalsozialistisches Gedankengut wieder. Daraufhin befaßte sich die Schulkonferenz der Schule in Rellingen-Ort mit der Person und den Texten des Dichters Heinrich Eckmann. Sie kam zu der Erkenntnis, daß Kinder und Eltern nichts mehr mit der Person Eckmanns verbindet, daß seine Werke in literarischer Hinsicht als unbedeutend und klischeehaft einzuordnen sind und darüber hinaus ideologisch mit dem NS-Gedankengut belastet sind. So wurde ein neuer, würdigerer Name für die Rellinger Schule gesucht und gefunden; im Oktober 1990 stimmte das Schulamt des Kreises Pinneberg der Umbenennung der Schule in "Brüder-Grimm-Schule" zu."

Ort Rellingen
Autor Gemeinde Rellingen
Kategorien
Schule/Bildung
Suchbegriffe / Tags
Brüder-Grimm-Schule
Heinrich-Eckmann-Schule
Schmiedestraße Nr. 38
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Bildquelle
Gemeindearchiv Rellingen
Urheber
Gemeinde Rellingen
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Arne Hitscher, Gemeinde Rellingen
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